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Näher als du denkst

Erschienen am 31.01.2018
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783868277081
Sprache: Deutsch
Umfang: 396 S.
Format (T/L/B): 3.7 x 20.5 x 13.4 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Nachdem ihr Mann Stockton bei einem Autounfall ums Leben kam, versucht Nan sich und ihren drei Mädchen ein neues Leben aufzubauen. Dabei erhält sie ungefragt Unterstützung von Stocktons Kollege Travis. Eines Tages stößt Nan auf mysteriöse Notizen ihres Mannes, der sich als erfolgreicher Anwalt gegen Menschenhandel einsetzte. Zudem macht sie die Bekanntschaft der jungen CeeCee, die ihren Mann kurz vor seinem Tod um Hilfe gebeten hatte. CeeCees Leben und das Schicksal ihrer Vorfahrin Clara scheint auf geheimnisvolle Weise mit Stocktons Familiengeschichte verbunden zu sein. In Nan wächst nach und nach der Verdacht, dass der Tod ihres Mannes kein bloßes Unglück war. Doch auf welche Weise sind Vergangenheit und Gegenwart miteinander verknüpft? Je mehr Nan versucht, das Rätsel zu entwirren, desto mehr geraten sie und ihre Kinder in Gefahr.

Autorenportrait

Elizabeth Musser wuchs in Atlanta auf. Seit dem Abschluss ihres Studiums englischer und französischer Literatur an der Vanderbilt Universität in Tennessee ist sie als Missionarin tätig. Heute lebt sie mit ihrem Mann Paul in der Nähe von Lyon in Frankreich. Die beiden haben zwei Söhne.

Leseprobe

Kapitel 1 Mai, sechs Wochen zuvor "Weiß jemand, wo Sylvia heute ist?", fragte ich und schaute meine Achtklässler an. Dreiundzwanzig Augenpaare blickten zurück. Größtenteils dunkle Augen, einige mit asiatischen Zügen, ein Schmelztiegel verschiedener Nationalitäten, Kinder aus der ganzen Welt, deren Familien sich im Süden von Atlanta angesiedelt hatten. Schließlich antwortete Laetitia, eine dürre Dreizehnjährige: "Sie ist am Mittwochabend von zu Hause weggelaufen, Mrs Fitten." Ich atmete scharf ein und hörte die Stimme meines Anwaltsehemanns sagen: "Nan, die Statistiken sagen, dass Kinder, die von zu Hause weglaufen, in weniger als 48 Stunden aufgegriffen und hier in Atlanta zur Prostitution gezwungen werden." Als wir nach Atlanta gezogen waren, hatte sich Stockton anderen Anwälten in seiner Kanzlei angeschlossen, die sich mit mehreren gemeinnützigen Organisationen und der "International Justice Mission" bemühten, den Menschenhandel in Atlanta zu bekämpfen, der erschreckende Ausmaße angenommen hatte. Vor meinem geistigen Auge sah ich erneut den heiligen Zorn in Stocktons warmen, braunen Augen, als er mir seinen aktuellen Fall erklärt hatte. Ich zwang mich, in die Gegenwart zurückzukehren, und legte eine Hand auf mein Pult, um mich abzustützen. "Es tut mir sehr leid, das zu hören", sagte ich als Antwort auf die ernsten Blicke meiner Schüler. "Wirklich sehr leid." Ich räusperte mich und trat ans Whiteboard. "Heute analysieren wir Sätze." Ein kollektives Stöhnen ging durch den Raum. Ich drehte mich um und zwang mich zu einem Lächeln. "Das habe ich euch doch gestern angekündigt." Während ich das sagte, merkte ich, wie meine Beine unter mir nachgaben und das Klassenzimmer begann, sich um mich herum zu drehen. Das Letzte, an das ich mich erinnere, war die Stimme eines Schülers, Eddie, glaube ich, der laut rief: "Mrs Fitten! Ist alles in Ordnung, Mrs Fitten? Jemand muss Mrs Avery holen! Schnell!" "Nan? Nan!" Ich versuchte, die Augen aufzuschlagen, und stellte fest, dass ich im Lehrerzimmer der Druid Hills Schule, an der ich Englisch unterrichtete, auf dem Sofa lag. Patsy Avery, die Rektorin, stand über mir. Ihr Gesicht zeigte tiefe Sorgenfalten. Ich schaute mit zusammengekniffenen Augen zu ihr hinauf. "Entschuldigung. Ich weiß nicht, was passiert ist." Patsy reichte mir ein Glas Wasser. "Trink bitte einen Schluck", forderte sie mich auf, während ich versuchte, mich aufzusetzen. Mir wurde sofort wieder schwindelig. Deshalb legte ich mich zurück. "Wer ist bei den Kindern?", fragte ich mühsam. "Mach dir darüber keine Sorgen." Sie nahm ein kühles Tuch und legte es auf meine Stirn. "Die Schüler haben gesagt, dass du dich aufgeregt hast, als du von Sylvia Gomez hörtest", flüsterte sie. "Tut mir leid, Patsy. Ich weiß nicht, warum mich das so erschüttert hat." Patsy sah sehr beunruhigt aus. "Nan, du weißt, dass wir froh sind, dich wiederzuhaben. Und du leistest sehr gute Arbeit. Die Kinder lieben dich. Aber vielleicht ist es doch noch zu früh. Vielleicht brauchst du noch ein wenig mehr Zeit." Schließlich gelang es mir, mich aufzusetzen, obwohl ich das Tuch immer noch an meine Stirn drückte. Meine Schläfen hämmerten. "Ich weiß, was du denkst, Patsy. Was alle denken. Aber das Schuljahr ist fast zu Ende. Ich möchte meine Klasse bis zum Schuljahresende begleiten. Die Kinder hatten in den letzten acht Monaten genug Unruhe." Patsy sah nicht überzeugt aus. Sie war Ende vierzig, kaum zehn Jahre älter als ich, strahlte aber mit ihren kurzen, grau melierten Haaren und ihrer fülligen Figur etwas Großmütterliches aus. "Du bist jetzt zum dritten Mal vor den Kindern in Ohnmacht gefallen. Das wirkt sich nicht gerade beruhigend auf die Schüler aus. Und du hast noch mehr abgenommen, Nan." Sie seufzte. "Ich mache mir Sorgen um dich. Natürlich erwarte ich nach allem, was passiert ist, nicht, dass du plötzlich wieder die alte, unbeschwerte Nan bist. Aber vielleicht setzt du dich zu sehr unter Druck, wenn du jetzt schon wieder unterrichtest."