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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783522202671
Sprache: Deutsch
Umfang: 368 S.
Format (T/L/B): 3.3 x 22 x 14.5 cm
Lesealter: 13-99 J.
Einband: gebundenes Buch

Autorenportrait

Tobias Goldfarb hat Internationalen Journalismus in London studiert und als Journalist und Hörspielautor unter anderem für den WDR und das Deutschlandradio gearbeitet. Als Autor und Regisseur hat er Theaterstücke für zahlreiche Bühnen verfasst und inszeniert. Auf der Jagd nach neuen Geschichten wandert er gerne durch die schottischen Highlands, die Brandenburger Lowlands und andere Gegenden mit möglichst weiten und spektakulären Himmeln. Tobias Goldfarb lebt mit seiner Familie in Berlin. 'Niemandsstadt', sein erster Roman für Jugendliche, wurde mit dem Rattenfänger-Literaturpreis 2022 ausgezeichnet.    

Leseprobe

Angst Ob ich drüben Angst habe? Natürlich habe ich Angst. Aber ich habe auch Angst, wenn ich nicht drüben bin. Ich bin ein Angsthase. Ich würde gerne behaupten, dass das der Grund ist, warum mir nichts passiert. Stimmt nur leider nicht. Mir passiert ständig etwas. Ich breche mir dauernd die Knochen, meistens kurz vor den Sommerferien. Ich bin diejenige, die zu spät in den Bus steigt und deren Rucksack von der Tür eingeklemmt wird, sodass die Tasche bis zur nächsten Station draußen fährt und ich drinnen ausgelacht werde. Während ich Todesangst habe. So etwas würde mir drüben nie passieren. In der Niemandsstadt wird man zwar ab und zu von jemandem gebissen, aber ausgelacht wird man nie. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, muss ich sagen, dass ich drüben ziemlich häufig gebissen werde. Während mich, wenn ich nicht drüben bin, fast nie jemand beißt, erst recht keine wildfremden Leute irgendwo in der Stadt. Hier Hier bin ich Josefine. Ich glaube, meine Eltern fanden den Namen irgendwie niedlich, als sie sich vorgestellt haben, dass ein kleines Baby zufrieden in der Wiege liegt und lächelnd an ihren Fingerchen nuckelt. Sie haben mich 'Finchen' genannt, weil das so nett klingt. Damit müssen sie aber ziemlich bald aufgehört haben, denn anstatt zufrieden zu lächeln und an den Fingerchen zu nuckeln, habe ich als Baby hauptsächlich geschrien. Etwa zwanzig Stunden am Tag, wenn man glaubt, was meine Eltern sagen. Zu so einem schreienden Bündel mit hochrotem Kopf passte 'Finchen' nicht mehr so gut, also sind sie zu 'Jo' gewechselt. So nennen meine Eltern mich fünfzehn Jahre später immer noch: Jo. Kurz und knackig. Klingt nicht nach Angsthase, obwohl ich ja einer bin. Inzwischen würde 'Finchen' vielleicht sogar besser passen. In der Schule habe ich aber einen anderen Spitznamen: 'Josef'. Ich bin ein Mädchen, das aussieht wie ein Junge, und Josef genannt wird. Josef wie in: Alter Mann mit Bart und Hut, der irgendwo in den Bergen ein Bündel Reisig durch eine verschneite Landschaft schleppt.